1571 | Kelsterbach - Langen

Catharina, Joachimbs Weib, die mutige Hexe, die keine war

 

Im Hausarchiv des Fürsten von Ysenburg-Büdigen fanden Stadtarchivar Hartmut Blaum und Andreas Wörner aus Kelsterbach  die Prozessakte „Graf Wolfgang gegen Joachimbs Weib“ und machten eine Broschüre daraus.


Nach Berichten in der Frankfurter Rundschau und Frankfurter Neuen Presse am 19.5.2007 von Andrea Rost und Carmen Erlenbach


Sie wird nicht hingerichtet und auch nicht im üblichen Sinne gefoltert. Dass ihr lediglich vier Mal ein Getränk eingeflößt wird und sie dann wieder aus der Haft entlassen wird, macht den bisher einzig bekannten Fall von Hexenverfolgung in der Untermainstadt nicht unbedingt zu einem Spektakel. Doch ist der Fall der Catharina von Kelsterbach, Frau des Fährmanns Joachim von Hoechst, einer der wenigen Fälle von Hexenverfolgung zwischen 1550 und 1650 mit Happy End – und darum eine Besonderheit.

Inhaftiert und verhört worden war Catharina von Kelsterbach, weil man ihr vorwarf, die Leiche eines Strohschnitters geplündert zu haben, die der Main angeschwemmt hatte. Sie war damals 71 Jahre alt und hatte zwölf Kinder geboren, eine Tochter war gelähmt. Da man sich die Krankheit des Kindes nicht erklären konnte, lag es nahe, Catharina des "Schadenzaubers" und der Hexerei zu bezichtigen.

Genaueres: 1571 wird die 71-Jährige Mutter von zwölf Kindern verdächtigt, den toten, im Main angeschwemmten Strohschneider namens Klem ausgeplündert zu haben beziehungsweise vom Raub der 30 Gulden, die er bei sich hatte, zu wissen. Vermutlich wird Catharina auch angelastet, eine ihrer Töchter verhext zu haben. Denn sie ist gelähmt. Zwei Gründe also, um die Alte am 14. Oktober in den Turm zu Langen im Winter einzusperren. 

Was passiert also mit Catharina? Das erste Dokument trägt das Datum vom 18. Oktober

1571. Ein Schreiber der Kelsterbacher Amtsstube fordert den Bereiter zum Hain und den

Schultheiß von Langen auf, die zweier vermeintlicher Vergehen verdächtigte Catharina

anhand eines Fragekataloges zu verhören. Die 71-Jährige sagt aus, nicht zu wissen, wer

Klem an Land gezogen habe. Aber Peter Hanssen Michels Frau habe Ware mit verschimmeltem Geld bezahlt. Und was ihre gelähmte Tochter angehe, so habe der weise Mann von Hanau gesagt, sie sei vom Schlag gerührt. Zwölf Tage später, am 30. Oktober, geht ein Brief mit der Bitte um einen Scharfrichter an den Rat von Frankfurt. Denn eine gefangene Frau in Langen solle der Folter unterzogen werden. Die Antwort ging verloren. Jedenfalls taucht in Langen ein Meister Ludwig, Scharfrichter von Büdingen, auf.

Am 30. Oktober schreibt der Kelsterbacher noch einen zweiten Brief mit dem Befehl,

Catharina noch einmal gütlich und für den Fall eines fehlenden Geständnisses unter Folter zu befragen. Catharinas Verhör ergab jedoch keine Neuigkeiten. Catharina wird am 5. und 20. November abermals durch eingeflößte Getränke gefoltert. Von damals typischen Foltermethoden sieht man wohl wegen ihres Alters ab.

Am 22. Dezember erkennt Schultheiß Bertz von Langen Catharinas Unschuld an. Daraufhin entwerfen ysenburgische Beamte zwei Verträge, die Catharina unterschreiben soll. Sie soll sich dazu bekennen, den Verdacht gegen sie selbst verschuldet zu haben, der die Folter gerechtfertigt habe. Darüber hinaus soll sie mit ihrer Unterschrift auf Regressansprüche verzichten und die Kosten des Verfahrens tragen. Es folgen die Rechnungen. 


Der Kelsterbacher Schultheiß Caspar Schreiner und der Sekretär des Fürsten von Ysenburg-Büdingen, Wendl Hepp, ließen Catharina im Turm zu Langen "gefänglich einziehen" und verlangten in einem Brief vom 18. Oktober 1571, sie zu verhören. Gütlich sollte die Kelsterbacherin zunächst befragt, danach auch die Tortur angedroht werden.

Catharina gestand nicht. Sie könne weder zaubern noch hexen, erklärte sie. Auch als man ihr im Beisein eines Scharfrichters einen Trank

einflößte, der sie gefügig machen sollte, legte sie kein Geständnis ab.


Hilfe aus Frankfurt und Eppstein

Mittlerweile hatte sich auch Fährmann Joachims Dienstherr, der Graf von Hessen-Marburg ein-geschaltet und davor gewarnt, die

Kelsterbacherin ohne Beweise weiter festzuhalten. Catharinas Mann Joachim hatte sich mit der Bitte um Freilassung seiner Gattin an den Amtmann Haness Schaffnit von Eppstein gewandt. Er ist ein Beamter 

des Landgrafen von Hessen-Marburg, also des Arbeitgebers von Joachim. Der Eppsteiner schreibt am 3. Dezember an Graf Wolfgang von

Ysenburg-Büdingen, dessen Untertan Joachim ist, ihn doch über die Haftgründe zu informieren und seine Gattin frei zu lassen. 

Offenbar wird der Frankfurter Stadtadvokat Dr. Niclas Burckhardt um einen justiziellen Rat gefragt. Er erachtet in einem Brief vom 19. Dezember 1751 das Vorgehen gegen Catharina und die Folter als unrechtmäßig.

Alles, was ihr anzulasten sei, sei „unnütz geschrey und weiber verdummung“. Er verdeutlicht, dass Joachim die Sache zu Ungunsten des  Grafen vor das kaiserliche Kammergericht bringen könne – und bringt so  eine entscheidende Wendung in die Angelegenheit. Ein ... Gutachten des Frankfurter Stadtadvokaten empfahl, Catharina schleunigst freizulassen. Sollte sich das (Reichs)kammergericht mit der Sache befassen, hätten Schultheiß und

Sekretär sonst ernste Konsequenzen zu befürchten. "Die beiden haben wohl Angst bekommen, schließlich hatten sie keine Beweise für ihre Vorwürfe", vermutet Hartmut Blaum.

Catharina wurde freigelassen, sollte aber die Kosten für das Verfahren tragen, da sie sich mitschuldig an den Verdächtigungen gemacht habe.

Das wollte die Kelsterbacherin nicht auf sich sitzen lassen. Und sie wagte einen für die damalige Zeit ungewöhnlichen und mutigen

Schritt. Schriftlich wandte sie sich an den Fürsten von Ysenburg-Büdingen, erklärte ihre Unschuld und bat ihn, ihr dies schriftlich zu bestätigen. Der Fürst kam ihrer Bitte nicht nach. "Ist aus beweglichen

Ursachen abgeschlagen", lautet der letzte Satz in der Akte zum Kelsterbacher Hexenprozess.

In der Broschüre, die Hartmut Blaum und Andreas Wörner für das Stadtarchiv zusammengestellt haben, zeichnen sie den Prozess detailreich nach und stellen die Geschehnisse in den historischen Zusammenhang der Hexenverfolgungen, die in vielen Orten Hessens

zwischen 1560 und 1660 stattfanden.

1571 wird die 71-Jährige Mutter von zwölf Kindern verdächtigt, den toten, im Main angeschwemmten Strohschneider namens Klem ausgeplündert zu haben beziehungsweise

vom Raub der 30 Gulden, die er bei sich hatte, zu wissen. Vermutlich wird Catharina

auch angelastet, eine ihrer Töchter verhext zu haben. Denn sie ist gelähmt. Zwei Gründe

also, um die Alte am 14. Oktober in den Turm zu Langen im Winter einzusperren. 

Was passiert also mit Catharina? Das erste Dokument trägt das Datum vom 18. Oktober

1571. Ein Schreiber der Kelsterbacher Amtsstube fordert den Bereiter zum Hain und den

Schultheiß von Langen auf, die zweier vermeintlicher Vergehen verdächtigte Catharina

anhand eines Fragekataloges zu verhören. Die 71-Jährige sagt aus, nicht zu wissen, wer

Klem an Land gezogen habe. Aber Peter Hanssen Michels Frau habe Ware mit verschimmeltem Geld bezahlt. Und was ihre gelähmte Tochter angehe, so habe der weise

Mann von Hanau gesagt, sie sei vom Schlag gerührt. Zwölf Tage später, am 30. Oktober,

geht ein Brief mit der Bitte um einen Scharfrichter an den Rat von Frankfurt. Denn eine

gefangene Frau in Langen solle der Folter unterzogen werden. Die Antwort ging verloren. Jedenfalls taucht in Langen ein Meister Ludwig, Scharfrichter von Büdingen, auf.

Am 30. Oktober schreibt der Kelsterbacher noch einen zweiten Brief mit dem Befehl,

Catharina noch einmal gütlich und für den Fall eines fehlenden Geständnisses unter Folter zu befragen. Catharinas Verhör ergab jedoch keine Neuigkeiten. Catharina wird am 5.

und 20. November abermals durch eingeflößte Getränke gefoltert. Von damals typischen

Foltermethoden sieht man wohl wegen ihres Alters ab.

Am 22. Dezember erkennt Schultheiß Bertz von Langen Catharinas Unschuld an. Daraufhin entwerfen ysenburgische Beamte zwei Verträge, die Catharina unterschreiben soll.

Sie soll sich dazu bekennen, den Verdacht gegen sie selbst verschuldet zu haben, der die

Folter gerechtfertigt habe. Darüber hinaus soll sie mit ihrer Unterschrift auf Regressansprüche verzichten und die Kosten des Verfahrens tragen. Es folgen die Rechnungen. Das

Ende der Auseinandersetzung wird mit einem Essen gefeiert.