Ausländer in Untersuchungshaft in Frankfurt

Ist Untersuchungshaft schon für Deutsche belastender als Strafhaft, fügt  diese Haftart Ausländern noch größeren Schaden zu. 

Die grundsätzliche Problematik habe ich 1991 für den Unterausschuss Untersuchungshaft der Bundesarbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe  (BAG-S.de) aufgeschrieben, in dem ich mitarbeitete..

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Januar 1990

Eine Stunde Heimat in der Fremde

Ausländische Pfarrer und Sozialarbeiter im Gefängnis

Sie kommen fast alle, die Spanier und Südamerikaner, die Italiener und Kroaten, wenn ihre Pfarrer zum Gottesdienst in den Frankfurter Gefängnissen sind. Die Pfarrer kommen regelmäßig trotz ihrer schweren Belastungen in den fremdsprachigen Gemeinden des Rhein-Main-Gebietes. Sie kommen gern, weil sie die Nöte ihrer Landsleute spüren und im Gefängnis hautnah erfahren. Die Gottesdienste sind natürlich auf weite Strecken mehr Gesprächskreise. 

Die Pfarrer hören zu und können helfen. Die Gefangenen können mit ihnen unbefangen in ihrer Muttersprache reden. Sie vertrauen ihnen die Sorgen um ihre Familien und Freunde an, sie sprechen über ihre Schuld und Einsamkeit. Sie leben auf, wenn der Gottesdienst in der ihnen gewohnten Weise gefeiert wird und ihre Lieder erklingen. Sie singen – oft begeistert und laut, als wollten sie alles Fremde weg schreien....und hier vergessen.

Die einen sind die Opfer des „Kulturschocks“, Kinder von Gastarbeitern, die nicht wissen, wo sie hingehören. Wo ist die Heimat? Italien? Frankfurt? Jugoslawien? Drogen sind da oft die letzte Antwort.

Die anderen sind hier, obwohl sie hier gar nicht leben wollen. Gefasst auf dem Rhein-Main-Flughafen, in irgendeinem Hotel der Großstadt, im Bahnhofsviertel. Die Heimat hatte vielfältige Probleme gebracht. Ausweg der Flug nach Frankfurt, die Reise als Tourist ins Wunderland mit Drogen im Koffer oder im Bauch. Und jetzt alles andere als ein gutes Leben für die Kuriere wie für ihre Familien...

Schock, Ernüchterung, Verzweiflung, diese lange krankmachende Einsamkeit, die Sprachlosigkeit, das Nichtverstehen und Unverständnis, die Missverständnisse und Demütigungen – gefangen in der Fremde ohne Zukunft.

Die Stunde Heimat in der Woche, im Monat – da leuchtet immer wieder etwas Zukunft auf. Da entdecken sie wieder ihre Fröhlichkeit und erfahren, dass nicht alles vergangen und verloren ist.

streiflichter aus der gefängnisseelsorge 42   - nicht erhalten -- oder doch, ich suche

Besonders beeindruckend waren die spanischen Gottesdienste. Eine ganze Truppe von Ehrenamtlichen war dabei, das kolumbianische Generalkonsulat mit der bewundernswerten Generalkonsulin, später Doyen des Diplomatischen Corps; Don Eusebio von der Spanischen Mission… Zeitweise übten die MitarbeiterInnen der Ausländerberatung mit den Gefangen für dieses Treffen Theaterstücke ein. Fast immer fanden sich gute Musiker. Einfach der Höhepunkt des Monats…



Januar 1992

Es war doch eine Bleibe da


„….wird zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt!“ Kaum hatte die Richterin das Urteil über die afrikanische Angeklagte verkündet, stand der Anwalt vor dem Richtertisch und verhandelte über die Freilassung seiner Mandantin. Und es gelang: zu lange hatte sie schon in U-Haft gesessen. Ihr Mann bekam 5 Jahre.

Und nun?  Eine Afrikanerin in einer fremden Stadt….sie war auf Rhein-Main verhaftet worden. Vom Gericht kümmerte sich niemand mehr um sie. Der Anwalt hatte ihr Geld, von Hilfe beim Suchen für eine Unterkunft war keine Rede mehr. Und die Anstalt musste sie ja entlassen. Der Sozialdienst ist nur drinnen zuständig. Dabei hätte man wissen können, dass ihre Entlassung bevorstand.

Ich hatte öfter mit ihr gesprochen und mit ihrem Mann, der sich große Sorgen machte um ihren Verbleib bei der Entlassung. So versuchte ich schon Wochen vorher für sie eine Bleibe zu finden. Ich wusste, was mir bevorstand, hatte ich doch vor einiger Zeit in einer ähnlichen Notlage mit meinen Kolleginnen wochenlang im ganzen Rhein-Main-Gebiet herumtelefoniert – ohne Erfolg. Es war während des Jugoslawienkrieges, und überall waren Flüchtlinge untergebracht worden...

Also wieder das endlose, vergebliche Telefonieren! „Es tut uns leid, bei uns ist alles voll.“ Jetzt geht es nicht; wir haben kroatische Flüchtlinge hier. “ Die Frau hatte mit Drogen zu tun; wie sollen wir das vor den anderen Bewohnern verantworten.“ (Die kapierten nicht, dass die Drogenkuriere, die auf Rhein-Main verhaftet werden, normalerweise keine Junkies sind.) „Über Weihnachten ist bei uns niemand da.“ Und was sonst noch alles an Ausflüchten gesagt wurde. Vor zwei Jahren hatten ich eine entlassene Frau, deren Mann noch ein paar Jahre absitzen musste, mit ihrem Baby bei uns zu Hause untergebracht. Das ging jetzt nicht mehr, wir erwarteten selbst eins...

Und dann kam der befreiende Anruf bei den Franziskanerinnen in der Lange Straße: „ Wenn Sie keine andere Bleibe haben für die Frau, dann bringen Sie sie doch vorbei. Dann belegen wir halt unser letztes Gästezimmer. Ich hätte die Oberin umarmen können. Und das lief so gut..wenn sie nicht verheiratet gewesen wäre, ich glaube, wäre sie sogar Franziskanerin geworden....